Großenaspe/Plön (anz) – Zwei junge Seeadler, die in ihrem natürlichen Lebensumfeld keine Chance zum Überleben hatten, wurden in Niedersachsen und Schleswig-Holstein von Seeadlerschützern aufge nommen und zur Pflege und medizinischen Versorgung in den Wildpark Eekholt gebracht. Hier wurden sie in einer Auswilderungsvoliere bestens auf die Entlassung in die Freiheit vorbereitet, die am morgigen Dienstag, 8. August, in der Nähe von Plön stattfinden soll.
Der eine Vogel wurde als unterernährter Jungadler in der Nähe von Jasebeck in Nieder- sachsen an der Elbe unter dem Horst aufgenommen, in einer Voliere der Auffangstation Leiferde gepflegt und dann Mitte Juli zur weiteren Vorbereitung auf seine Freilassung dem Wildpark Eekholt übergeben.
In Schleswig-Holstein beobachtete Thomas Neumann, Mitbegründer der Projektgruppe Seeadlerschutz, bei einer Kontrolle eines Seeadlerreviers im Raum Ratzeburg, wie ein Jungvo- gel einen anderen Jungadler an den Horstrand drängte und dieser aus dem Horst stürzte. In Horstnähe, in schwierigem unübersichtlichem Gelände, fand Thomas Neumann nach einigem Suchen den abgestürzten Jungadler und brachte den Vogel, nachdem er ihn ausgiebig mit Hirschkalbshack gefüttert hatte, ebenfalls in den Wildpark Eekholt. Der niedersächsische Adler wurde während seiner Aufzucht in Leiferde beringt. Der schleswig-holsteinische Adler ist noch unberingt, seine Beringung soll kurz vor der Freilassung in der Nähe von Plön erfolgen. Seit 1976 werden in Schleswig-Holstein Seeadler beringt. In diesem Jahr wurden dank der finanziellen Unterstützung des WWF Deutschland 34 junge Seeadler in ihren Horsten beringt. Über die Beringung erhalten die Seeadlerschützer Einblicke in die Lebenswege, die Reproduktionsleistung, die Dynamik der Populationen oder die Ursachen von Todes- fällen der Seeadler. So wurde zum Beispiel 2021 ein toter beringter Seeadler am Hostrup See in Dänemark gefunden, der im Jahr 1993 in einem Horst in Schleswig-Holstein beringt wurde. Dieser Seeadler wurde 28 Jahre alt und hat zur Wiederausbreitung der Art in der ehemals verwaisten Region Dänemark beigetragen. Die bei Beringung gewonnenen Erkenntnisse tragen in einem erheblichen Maße zum Schutze der Seeadler bei.
In der Entwicklung der Seeadlerpopulation in Schleswig-Holstein zeichnet sich für das Jahr 2023 eine durchschnittliche Saison ab. Insgesamt ist mit rund 150 besetzten Revieren eine Zunahme von 14 Revierpaaren bei einer Aufgabe von fünf Seeadlerrevieren zu verzeichnen. Im Frühjahr begannen von den 147 Revierpaaren 136 Paare mit einer Brut und von 99 tatsächlich brütenden Paaren werden voraussichtlich 151 erbrütete Jungadler erfolgreich ausfliegen. Die Zunahme der Revierpaare zeigt, dass Schleswig- Holstein dem Seeadler noch ausreichend viele Lebensräume bietet und ein Ende der natürlichen Ausbreitung nicht erkennbar ist. Bei der Verbreitung der Adler ist auffallend, dass die bislang weniger besiedelten Gebiete wie Geest und Westküste zunehmend in Anspruch genommen werden, aber auch ein deutliches „Seeadler-Dichtezentrum“ in den Kreisen Plön und Ostholstein erkennbar ist.
Im Vorjahr (Januar bis Dezember 2022) wurden 20 tote Adler von der Projektgruppe Seeadlerschutz Schleswig-Holstein aufgenommen. Davon sind sechs mit den Rotorblättern von Windenergieanlagen kollidiert. „Als Segelflieger sind die Seeadler durch den geplanten massiven Ausbau von Windenergieanlagen an Land zunehmend gefährdet“, so die Warnung von Thomas Neumann vom Vorstand der Projektgruppe Seeadlerschutz. „Als Naturschützer müssen wir aufpassen, dass im Zuge der politischen Ambitionen beim Klimaschutz, begleitet von einseitigen Forderungen der Windkraftlobby, die Ziele des Artenschutzes nicht gegen die Klimaschutzziele ausgespielt werden. Das Seeadler- Dichtezentrum in den Kreisen Plön, Ostholstein und im Naturpark Lauenburgische Seen muss weiterhin Bestand haben und auch zukünftig frei von Windenergieanlagen bleiben!“
Als Ende der 1960er-Jahre der Seeadlerbestand zu erlöschen drohte, wurde auf Initiative von WWF Deutschland ein umfangreiches Greifvogelschutzprojekt auf den Weg ge- bracht, das von Fachleuten mit großer Skepsis betrachtet wurde und dem keine großen Chancen eingeräumt wurden. Heute ist der Seeadlerbestand stabil und nicht mehr gefährdet. Das zeigt, dass die Bemühungen der Projektgruppe Seeadlerschutz gelungen sind, aber es dieses Projekt konnte nur dank der finanziellen Unterstützung einer Vielzahl von Sponsoren und Förderern so erfolgreich umgesetzt werden. Von dem Seeadler- schutz profitieren auch viele weitere Vogelarten, die in den geschützten Brutrevieren der Adler geeignete ausgezeichnete Lebensräume vorfinden, um sich dort ebenfalls best- möglich zu entwickeln. So trägt der Seeadlerschutz in einem großen Umfang zum Erhalt und Verbesserung der Biodiversität in unserem Lande bei.
Hinweis: Bei extremen Wetterverhältnissen könnte der Auswilderungstermin eventuell verschoben werden.