Kreis Steinburg (tc) – Mindestens 181 Tote hat es bei der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gegeben, als aus kleinen Bächen und Flüssen reißende Ströme wurden. Bilder von Städten und Ortschaften, bei denen landunter war, Wasser und Schlamm durch die Straßen strömten, waren schon von den Elbehochwassern bekannt. Dass die Wucht des Wassers aber ganze Häuser mit sich reißt, Keller in wenigen Minuten geflutet und Menschen unter Trümmern begraben werden – war vor wenigen Wochen den meisten wohl noch unvorstellbar. Starkregenereignisse werden häufiger passieren, prognostizieren Experten wie Klimaforscher Mojib Latif. Vor vier Wochen hat es in Itzehoe geschüttet wie noch nie, kurz darauf in Hohenlockstedt. Diese Woche standen Kaltenkirchen und Kellinghusen unter Wasser. Da stellt sich die Frage: Wie sicher ist die Stör?
Die Gefahr kommt eher aus dem Binnenland als von der Stör
Entwarnung kommt von verschiedenen Stellen. „Schon alleine aufgrund unserer geografischen Lage haben wir solch eine Situation wie in Ahrweiler oder Erftstadt nicht zu befürchten“, sagt Frank Nagorny. Was der Ordnungsamtsleiter des Kreises Steinburg – und damit auch des Zivil- und Katastrophenschutzes – damit meint: In Schleswig-Holstein ist plattes Land. Berge, von denen Geröllmassen in die Täler mitgerissen werden könnten, gibt es hier nicht. „Da sind wir hier in unserer Region eher sturmflutgefährdet.“ Die kommt aber nicht von nun auf jetzt, sondern ist vorherzusagen, so dass die unterschiedlichen Dienststellen sich einstellen könnten. „Das ist ein getaktetes System“, so Nagorny. Das Wasser könne sich hier in der Fläche ausdehnen, und insbesondere in der Sturmflutsaison zwischen Oktober und März sei eine 24/7-Rufbereitschaft gewährleistet, um die Alarmketten einzuhalten. Allerdings gebe es auch Gebiete im Kreis Steinburg, die von Hochwasser eher betroffen sein könnten als andere. „In Kellinghusen sind es schon andere Dimensionen“, sagt Nagorny, „und ob das Wasser nun langsam oder schnell die Keller volllaufen lässt: Tragisch ist es für die Betroffenen allemal.“
Arne Blohm, Geschäftsführer der Deich- und Hauptsielverbände Wilstermarsch und Krempermarsch, sieht bei Stark-
regen ebenfalls eher eine binnenseitige Gefahr, nämlich dann, wenn die Entwässerungsgräben überlaufen würden. Auch dann würde sich das Wasser zunächst in der Fläche verteilen, in tiefer liegenden Gebieten könnte aber Wasser in die Häuser laufen. Umso wichtiger sei es, dass diese Gewässer unterhalten würden, „das würde unheimlich viel Stauraum geben“. Gerade für den Unterlauf der Stör sieht Blohm aktuell wenig Kritisches. Angesichts der Prognosen sagt er aber, dass man sich für die Zukunft Gedanken machen müsse. Und: Das Thema Versiegelung sei ein wichtiger Punkt. „Wir kämpfen um Rückhalteräume.“
Das sieht auch Hans-Heinrich Gloy so und weiß um die Brisanz. Er ist Deichgraf des Deich- und Sielverbandes Mühlenbarbek und Verbandsvorsteher des Landesverbandes. Wer ein Baugebiet erschließt, der wolle sein Land verkaufen und kein Regenrückhaltebecken bauen. Und trotzdem sei es dringend nötig, denn irgendwo müsse das Wasser ja hin. Gerade dann, wenn die umgrenzenden Entwässerungsanlagen schon ausgelastet sind. Gloy sieht aber auch Länder und Bund in der Pflicht, mehr Geld für die Daseinsvorsorge und Ertüchtigung von Gewässern und Deichen in die Hand zu nehmen beziehungsweise zur Verfügung zu stellen. „Das ist zu wenig“, bemängelt er. Was die Stör angeht, habe man die Lage soweit im Griff, sagt er. Auch der Hochwasserschutz in Kellinghusen komme gut voran, „an der Problematik sind wir dran“, so der Deichgraf. Rund um Kellinghusen gebe es viele Überschwemmungsgebiete, die das Wasser aufnehmen, wenn die Stör über die Deiche tritt. Gloy betont aber auch, was viele Eigentümer wohl nicht immer im Hinterkopf haben oder gerne hören. „Hochwasserschutz ist eigentlich Privatsache.“