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Mit Gesang ihre Gefühle zum Ausdruck gebracht

Ukrainischer Kinderchor war zu Gast in Bad Bramstedt - und begeisterte mit seinen Auftritten

Chorleiterin Professor Dr. Svitlana Sadovenko (vorne 2.v.li.) und Mitorganisatorin Julia Lippstreu vom Familienzentrum der Lebenshilfe (vorne Mitte) freuten sich zusammen mit den Chorkindern über den rundum gelungenen Aufenthalt in Deutschland. Fotos: Straehler-Pohl

Die Einschulung von zwei ersten Klassen in die Grundschule am Bahnhof war einer von neun Auftritten, bei denen der Kinderchor „Ladonky“ die Zuhörerinnen und Zuhörer mit starken Gesangseinlagen in ihren Bann zog.

Marina (30) war zusammen mit ihren Kindern Varvara (2) und den Zwillingen Anna und Valeria (12) bei Kriegsbeginn direkt aus dem Urlaub im Ausland nach Bad Bramstedt zu Verwandten geflüchtet. Sie hatten die Organisatoren dabei unterstützt, dass elf Kinder aus Kiew für zehn Tage in Bad Bramstedt den Schrecken des Krieges entkommen konnten.

Bad Bramstedt (usp) – Seit einem halben Jahr tobt aus Russland heraus ein Angriffskrieg in der Ukraine, der auch von der Zivilbevölkerung, von Kindern, Frauen und älteren Menschen viele Opfer gefordert hat. Rund 38000 Menschen sind von der Ukraine in den Norden geflohen, in Bad Bramstedt und dem Umland werden rund 200 derzeit betreut.
Doch nicht alle können oder wollen ihrem Heimatland den Rücken kehren. Um wenigstens einigen Kindern die Möglichkeit zu geben, sich von den traumatisierenden, lebensbedrohlichen Ereignissen ein paar Tage erholen zu können, hatten das Familienzentrum der Lebenshilfe, das Familien- und Integrationszentrum der Stadt Bad Bramstedt sowie die katholische Pfarrei eine Erholungsfreizeit für elf Kinder aus Kiew im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren vom 12. bis 21. August organisiert. Hinzu kamen sieben weitere Kinder, die mit Angehörigen schon vor gut fünf Monaten nach Deutschland geflohen waren. Sie waren sogar extra unter anderem aus Hamburg oder sogar Berlin angereist, um sich mit ihren Altersgenossen in Bad Bramstedt zu treffen, sich auszutauschen und gemeinsam etwas zu unternehmen.

„Was erst eine kleine Idee war, ist ein großes und recht aufwendiges Projekt geworden“, erinnert sich Julia Lippstreu vom Familienzentrum der Lebenshilfe. Realisiert werden konnte sie, weil gut 20 ehrenamtliche Helfer Aufgaben wie kochen, putzen oder Kinderbegleitung übernommen haben, betont Lippstreu. Außerdem hatte die katholische Kirche ihr Gemeindehaus zur Verfügung gestellt, Helfer hatten dort Betten aufgestellt.
Den Anstoß dazu hat eine ukrainische Familie gegeben, die derzeit mit zwei kleinen Kindern in Bad Bramstedt lebt und die Lippstreu und Lena Gostkowski, Flüchtlingskoordinatorin der Stadt, betreuen. Diese Familie befand sich gerade außerhalb der Ukraine im Urlaub, als der Krieg in ihrer Heimat ausbrach. Anstatt dorthin zurückzukehren, zog es sie nach Bad Bramstedt, wo bereits Bekannte lebten. Diese Familie stellte auch den Kontakt zu den Familien in Kiew her.

Nach einer beschwerlichen Anreise mit dem Bus, die immerhin 35 Stunden dauerte, trafen die Kinder in Bad Bramstedt ein. Alle singen in dem in ihrer Heimatregion bekannten Kinderchor „Ladonky“ mit, der von Professorin Dr. Svitlana Sadovenko geleitet wird. Sie und drei Betreuerinnen begleiteten die Kinder.
Deshalb war es auch naheliegend, mehrere Auftritte, die in traditionellen Trachten stattfanden, in das mehrtägige Programm einzuplanen. Insgesamt neun Mal sangen die Kinder. So trat der Chor in den Grundschulen am Bahnhof und Maienbeeck auf, in der katholischen und evangelischen Kirche, in der ukrainischen Botschaft in Hamburg und zuletzt beim Theaterfest im Kurhaustheater.

Ihr Repertoire reicht von Volksliedern bis hin zu Antikriegsliedern wie das auf Deutsch gesungene „Where have all the flowers gone?“ („Sag mir, wo die Blumen sind?“), das in den 60er-Jahren unter anderem von Joan Baez oder Peter, Paul and Mary interpretiert wurde. „Sie wollen mit dem Gesang auch ihre Gefühle zum Ausdruck bringen“, so die Chorleiterin.
Außerdem führten sie Ausflüge nach Hamburg zur ukrainischen Botschaft, nach Schwerin, Büsum und in den Hansapark. Darüber hinaus haben sie auch psychosoziale Hilfe erfahren. „Die Kinder sollen gestärkt und mit vielen Erlebnissen und Erinnerungen wieder nach Hause fahren“, erklärt Julia Lippstreu.

„Ich bin sehr froh, weil die Kinder die ganze Woche in Frieden gelebt und geschlafen haben, ohne Bomben“, erklärt die Chorleiterin. Die ersten beiden Tage seien sie allerdings noch in Panik geraten, wenn Flugzeuge am Himmel auftauchten, macht sie die Traumatisierung der Kinder deutlich. Auch wenn sie kaum Zeit gehabt hätten, im Internet zu recherchieren, wo gerade etwas in der Ukraine geschehe, die Sirenen-App aus ihrer Heimat warne jedoch auch hier in Deutschland.
Dann wiederum seien auch die Zeiten gekommen, in der sie vergessen haben, dass sie aus einem Kriegsgebiet kommen, so Svitlana Sadovenko. Sie sei davon überzeugt, dass die Kinder so viel Kraft in den Tagen in Deutschland gesammelt haben, dass diese noch länger anhält. „Die Emotionen und Eindrücke bleiben ein Leben lang“, ist sie überzeugt.
Im Gespräch wirkten die Kinder äußerst erwachsen. „Wir wollen Deutschland zeigen, dass es Krieg in der Ukraine gibt und erinnern, dass wir Hilfe brauchen“, meint der zwölfjährige Eduard. „Wenn die Ukraine verliert, verliert Europa“, setzt er nach.
„Die Kinder freuen sich trotz allem darauf, in ihre Heimat zurückzukehren und ihre Eltern wiederzusehen“, meint die Betreuerin Anastaija (26). Der Glaube und die Motivation ihrer Väter, die am Krieg teilnehmen müssen, moralisch zu unterstützen, sei ihnen sehr wichtig. „Das ist aber kein Fanatismus, sondern Vaterlandsliebe“, erklärt sie.
„Mir hat die Architektur gut gefallen, es gibt sehr schöne Brücken“, nimmt die zehnjährige Anastaija als Eindruck mit. Ihm habe die Natur gut gefallen und wie die Städte gebaut seien, meint Eduard (12).

„Die deutschen Menschen waren sehr lieb zu uns und gastfreundlich“, betont ein weiteres Mädchen. Ein anderes war glücklich, nicht nur das Meer gesehen zu haben, sondern auch, dass sie darin baden konnte, hat die Chorleiterin beobachtet. Und im Hansaland sei jedes Fahrgeschäft ausprobiert worden, auch wenn die Kinder teilweise Angst davor gehabt hätten, meint sie schmunzelnd.
Für Julia Lippstreu, die bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr in Russland aufgewachsen ist, inzwischen seit über 20 Jahren in Deutschland lebt, gibt es persönlich keine nationalen Probleme mit den Ukrainern. „Das ist nicht mein Krieg, das ist Putins Krieg. Ich bin froh, wenn ich ihnen helfen kann“, ist ihre Einstellung. „Wenn ich mir vorstelle, dass sie wieder zurück in den Krieg müssen, kommen mir die Tränen“, meinte sie am Sonntag, bevor der Chor und seine Begleiterinnen sich 35 Stunden im Bus auf den Rückweg machen mussten.

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