Bad Bramstedt (usp) – Eigentlich müsste man meinen, die Menschen haben genug von dem, was über Corona gesagt oder geschrieben wird. Und dennoch ließen es sich 55 Gäste im Foyer des Kurhaustheaters nicht nehmen, sich bei einer Lesung des bekannten Autors Jan Schröter durch die pandemischen Zeiten im Kreis Segeberg zu führen. Knapp zwei Stunden lang ließ Schröter durch sein locker, ironisch und mit trockenem Humor gespicktes Programm die vielen Unannehmlichkeiten und Schrecken der Pandemie vergessen, ohne die Gefahr herunterzuspielen.
Schröter, der sich selbst als Mann für die „spinnerten Geschichten“ bezeichnet, hatte ein Tagebuch über seine oft skurrilen Beobachtungen aus dem alltäglichen Leben zu diesem Thema begonnen. Daraus ist eine Kolumne mit über 120 Folgen im Hamburger Abendblatt entstanden, aus der er während der Lesung aus dem Vollen schöpfte.
So freut sich eine Kundin euphorisch darüber, dass endlich wieder Nordseekrabbensalat im Supermarkt angeboten werden und erkundigt sich, warum dies in den letzten Wochen so selten der Fall gewesen sei. „Wegen Corona“, erklärt die Verkäuferin bereitwillig, und prompt weicht bei der Kundin die Freude dem blanken Entsetzen: „Krabben kriegen auch Corona?“ Schröter versteht es, diese – vermutlich fiktive Begegnung – mit einem zur Fantasie anregenden Dialog fortzusetzen, der irgendwie doch so, typisch norddeutsch, stattgefunden haben könnte: „Nein, gute Frau, kriegen Krabben natürlich nicht – wer unter Wasser lebt, kann ja wohl schlecht Aerosole einatmen. Falls doch, müssten Krabben Masken tragen...“
In der nächsten Kolumne, in der er sich darüber auslässt, dass vor einem Jahr noch niemand wusste, was ein Virologe ist, jetzt aber einer, nämlich Christian Drosten, sogar den Radiopreis erhalten hat, schlägt er noch einmal einen Bogen zu den Krabben mit dem genialen Vorschlag an die Genforscher: „Züchtet doch mal Nordseekrabben ohne Schale. Die müssen dann nicht erst nach Marokko, sondern kommen gleich in den Salat.“ Und damit hat er gleich in einem Nebensatz auch noch den Wahnsinn des Krabbenpulens in Marokko und die damit verbundenen CO2-belastenden Lkw-Hin- und Rückfahrten aufs Korn genommen.
Doch auch zu anderen Lebenslagen fallen Jan Schröter immer wieder Geschichten ein, die fast so gewesen sein könnten. Diese kleidet er dann in Texte und gibt sie vertont in bekannte Melodien und am Klavier begleitet von seinem langjährigen Freund und Musiker Richard Rossbach aus Itzehoe zum Besten. Dazu gehören beispielsweise seine Urlaubserfahrungen beim wilden Campen. „…nur ein Plumpsklo, da kack ich doch lieber inkognito. Nur ein Loch im Boden macht mich auch nicht froh…“
Auch aus den typisch norddeutschen Eigenarten, dass lehrt uns Jan Schröter, kann die Welt noch etwas für die Pandemieeinschränkung mitnehmen. „Wir sabbeln nicht so viel. Und wer nicht sabbelt, sabbert nicht. Wenn sich in Thüringen und anderen Infektions-Hotspots jemand über Corona-Maßnahmen aufregt, dann wird gepöbelt und gebrüllt, dass die Viren über jeden Marktplatz fliegen. Ist bei uns mal jemand anderer Meinung, sagt er trocken: ,Nö.‘ Und geht. Das war’s dann. Da nebeln keine Aerosole, da weiß auch ohne Gebrüll jeder, was Sache ist. Und auch die Begrüßung hierzulande gibt Viren deutlich geringere Chancen der Übertragung: ,Moin.‘ Lippen beim ,M‘ geschlossen, beim ,n‘ schon wieder zu und dazwischen kommt auch nicht viel raus. Vom Norden lernen heißt Pandemieschutz lernen, liebe Republik“, so einer seiner wertvollen Ratschläge.
Bei allem, was Schröter auf der Bühne bringt, erweist er sich immer wieder als genauer Beobachter seiner Umwelt und als jemand, der hervorragend Wortspielereien beherrscht. Sympathisch auch, dass er sich nicht scheut, immer wieder auch auf eigene Schwächen einzugehen.
Den Zuschauern gefiel es, wie die Lacher und der Applaus verrieten, wie Schröter mit seinem teils hintergründigen, teils trockenen Humor Probleme der Zeit, zumindest stundenweise, etwas erträglicher macht. Eine ganze Reihe Zuhörer „outeten sich als Wiederholungstäter“, die auch schon bei seinen diversen anderen Lesungen, beispielsweise anlässlich eines seiner neuen Kriminalromane, dabei waren. „Ich wusste gar nicht, wie toll der ist“, meinte ein alteingesessenes Bad Bramstedter Paar, das erstmalig dabei war.
Krabben kriegen kein Corona
Jan Schröter (re.) führte gut zwei Stunden durch die pandemischen Zeiten im Kreis Segeberg. Begleitet wurde er dabei musikalisch von Richard Rossbach. Fotos: Straehler-Pohl
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