Depressionen: „Da redet man nicht drüber.“ – Doch!

Teilnehmer der Mut-Tour machten Station in Itzehoe, um über Depressionen zu informieren

Die Teilnehmer der Mut-Tour möchten mit den Menschen zum Thema Depressionen ins Gespräch kommen – und ihnen mit ihren eigenen Geschichten Mut machen. Mit dem Smiley werden die Betroffenen repräsentiert, die es sich zum Beispiel aus beruflichen Gründen nicht erlauben können oder wollen, ihre Depression öffentlich zu machen. (Foto: Claaßen)

Itzehoe (tc) – Wer Zahnschmerzen hat, geht zum Zahnarzt. Und wer eine psychische Krankheit hat, zum Psychologen – sollte man meinen, ist aber nicht so. Denn noch immer sind psychische Erkrankungen wie Depressionen mit Scham behaftet. „Da redet man nicht drüber“, ist die Erfahrung, die Ingo Ulzhoefer vom Zentrum für Psychosoziale Medizin (ZPM) am Klinikum Itzehoe immer wieder macht.
Der Projektmanager hat dort gerade Teilnehmer der Mut-Tour empfangen. Sie sind Betroffene und Angehörige und wollen die Gesellschaft über das Thema Depressionen informieren und sensibilisieren.
„Depressionen sind gut behandelbar“, sagt Peter Kraus. Er nimmt an der Mut-Tour teil, radelt in seiner Fünfer-Gruppe auf dem Tandem mehrere Stationen durch Deutschland ab – und hatte selbst Depressionen. „Das ist eine demokratisch verteilte Krankheit quer durch die Bevölkerung“, sagte Kraus in Itzehoe, bevor es von dort weiter nach Bad Bramstedt ging.
„Über Bauchschmerzen und Zahnschmerzen wird eher gesprochen. Somatische Krankheiten halt, die psychosomatischen sind eher noch tabuisiert“, hat auch Lorena Mey erfahren. Körperliche Krankheiten hätten eine höhere Akzeptanz als seelische. Dabei griffen beide häufig ineinander, sagt sie. Auch sie möchte mit ihrer Genesungsgeschichte anderen Menschen Mut machen, über ihre Krankheit zu sprechen und sie behandeln zu lassen. So wie Mona Winter. Die Tourenleiterin nimmt zum wiederholten Mal an der Mut-Tour teil, auch sie selbst weiß aus eigener Erfahrung, wie sich Depressionen anfühlen. Sie selbst gehe jedes Mal gestärkt aus solch einer Mut-Tour heraus. Viele Menschen hätten ein falsches Bild, sagt sie. „Wir sind nicht die Jammerlappen“, betont sie. „Wenn wir nicht gerade in einer akuten Phase stecken, stehen wir genauso unseren Mann und unsere Frau wie alle anderen auch.“
Auch Bettie de Vries geht es darum, über Depressionen zu informieren und Berührungsängste abzubauen – in beide Richtungen. „Betroffene möchten häufig nicht darüber sprechen, das Umfeld weiß nicht, wie es mit den Betroffenen umgehen soll.“ Da sei Aufklärungsarbeit zu leisten. Sie selbst habe sich schnell Hilfe geholt, als sie erkannte, dass sie alleine nicht weiterkomme.
Mit der schnellen Hilfe allerdings ist es ein Problem, insbesondere verstärkt durch die Pandemie. „Wir wünschen uns, dass die langen Wartezeiten für eine Behandlung verkürzt werden“, sagt Peter Kraus. Unerträglich sei es für die Betroffenen, ein halbes Jahr oder sogar bis zu 18 Monate zu warten, ergänzt Mona Winter.
Um diese Problematik weiß auch Ingo Ulzhoefer. Umso mehr freue er sich, wenn schon durch Gespräche etwas erreicht werden könne. Wenn die Mut-Tour-Teilnehmer angesprochen würden und so andere Menschen etwas mitnähmen. „Schneeballsystem“ nennt es Mona Winter, „wichtige Begegnungen“ nennt es Ulhoefer. „Wenn ich weiß: Diese Teilnehmerin hatte schwere depressive Phasen, jetzt sitzt sie hier auf dem Tandem und fährt diese Tour. Sie hat es geschafft – dann kann ich es auch schaffen.“

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