Kreise Pinneberg/Steinburg (rs) Es war lange still um das Thema Wölfe in unserer Region. Den letzten bestätigten Nachweis eines Wolfes im Kreis Pinneberg gab es Anfang Mai. Doch seit vier Wochen gibt es verstärkt Sichtungen.
Fund von Resten eines Rehs in Bokel
„Sichtungen bergen naturgemäß viele Unsicherheiten in sich“, sagt der erfahrene Wolfsbetreuer Hans-Albrecht Hewicker aus Bokholt-Hanredder. Er geht trotzdem davon aus, dass derzeit Wölfe im nördlichen Kreis Pinneberg und in den angrenzenden Gebieten des Kreises Steinburg und des Kreises Segeberg unterwegs sind. Denn es gibt weitere Indizien. Dazu gehören neben Verkehrsunfällen der Fund von Resten eines Rehs in Bokel und eines Reh-Kadavers am 13. November in Ellerhoop.
Senkenberg-Institut untersucht Proben
Bei Letzterem konnte Hewicker Gewebeproben nehmen, die derzeit im Senkenberg-Institut in Dresden ausgewertet werden. Ein Ergebnis liegt in der Regel nach vier bis sechs Wochen vor. Oft haben aber weitere Raubtiere von einem Kadaver gefressen. Ob der Jäger ein Wolf war, lässt sich daher häufig nicht mehr feststellen. Das Auftreten von Wölfen in dieser Jahreszeit sei nicht ungewöhnlich, sagt Hewecker. Jüngere Tiere lösten sich vom Rudel, suchten eigene Territorien und legten dabei auch sehr große Strecken zurück. Nicht weit hätte es ein Wolfpaar, das aktuell im Segeberger Forst lebt. Auch dieses könnte Ausflüge über die Kreisgrenze hinweg unternehmen.
536 eindeutige Wolfsnachweise in Schleswig-Holstein
Im Jahr 2007 war in Schleswig-Holstein erstmals wieder ein Wolf nachgewiesen worden. Seitdem zogen immer wieder Exemplare durch das Land oder hielten sich hier auf. Wie viele genau, ist offen. Allerdings gab es bis heute 536 eindeutige Nachweise und zwölf sehr wahrscheinliche. Wobei es sich oft um mehrere Nachweise weniger Tiere handelte.
175 Übergriffe von Wölfen
Seit Kurzem gibt es in Schleswig-Holstein zwei sogenannte territoriale Paare, die sich hier dauerhaft aufhalten. Eines im Kreis Segeberg, eines im Herzogtum Lauenburg. Dazu kommt ein territoriales Paar, das Mecklenburg-Vorpommern zugerechnet wird, häufig aber auch in Schleswig-Holstein unterwegs ist.
Durch vom Land geförderte Zäune zum Schutz von Schafen und Rindern ging die Zahl der Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere in Schleswig-Holstein zurück. 2019 gab es 134 registrierte Übergriffe mit 282 getöteten Schafen, 2021 waren es 15 Übergriffe mit 46 getöteten Schafen. 2022 stieg die Zahl wieder leicht an: Bis zum 30. November 2022 wurden 26 Übergriffe und 56 getötete Schafe registriert.
EU-Kommission: Schutzstatus lockern?
Rinder wurden hier kaum Opfer von Angriffen: 2019 kamen drei durch Wölfe ums Leben, 2020 vier, seither gab es keinen Vorfall mehr. Die Zahl der Wolfsrudel ist in Deutschland rasch gestiegen, liegt laut Bundesamt für Naturschutz bei 161. Seit Jahren wird diskutiert, ob der Bestand nicht zu groß wird.
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die EU-Kommission prüfen will, ob der Schutzstatus für die bislang streng geschützten Tiere gelockert werden kann. Bisher dürfen nur auffällige Wölfe, die eine Gefahr für Mensch oder Nutztier darstellen, abgeschossen werden.2021 ereigneten sich in Deutschland nach Angaben des Hamburger Abendblatts 975 Angriffe von Wölfen mit 3374 verletzten, vermissten oder getöteten Nutztieren. Mit dem Prüfauftrag reagiert Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf eine Resolution der christdemokratischen EVP-Fraktion, die eine Neubewertung des Schutzstatus gefordert hat. Die schwedische Regierung plant bereits die Halbierung des 400 Tiere starken Wolfbestands im Land.
Wolf nähert sich Menschen selten
Nahbegegnungen mit Wölfen gelten allgemein als sehr selten. Das ergab auch eine Studie im Auftrag des Norwegischen Institutes für Naturforschung (NINA). Wölfe reagieren demnach auf Menschen mit äußerster Vorsicht und nicht aggressiv. Der Mensch gehört nicht zur Beute.