Itzehoe (anz) – Ein Raunen geht durch den Saal. Beeindruckend, wie steil die rote Linie in den Keller geht. Sie zeigt das Minus beim Realzins: Aktuell rund neun Prozent, so viel wie noch nie in der Bundesrepublik. Für jeden ist erkennbar, was Martin Paulsen unterstreicht: „Das ist eine Enteignung von Sparvermögen.“ Der Fondsmanager vom Itzehoer Aktien Club (IAC) ist mit einer Reihe von Börsen-Seminaren in Norddeutschland unterwegs.
Sie sind fast ausgebucht, so auch zum Auftakt zwei Mal im Itzehoer Hotel Mercator. Denn das Thema trifft den Nerv: „Inflation – so schützen Sie Ihr Vermögen in Zeiten ausufernder Geldentwertung“.
„Wer hat Angst vor Inflation?“, fragt Paulsen seine Zuhörer, viele Finger gehen hoch. Das deckt sich mit Umfragen in Deutschland, und es ist kein Wunder: Die Geldentwertung treffe einen im Alltag als Verbraucher ebenso wie als Anleger.
Eigentlich sei Inflation nichts Schlechtes, erklärt Paulsen. Als Entschädigung gebe es für Sparer die Zinsen – nur funktioniere dieses Wechselspiel nicht mehr. Daran ändern auch die jüngsten Zinsanhebungen nichts, denn die Inflationsrate liege deutlich höher. Seit der Euro-Krise sinke der Realzins, und aktuell sei er so tief im Keller wie noch nie.
Der Zündfunke dafür seien Corona und der Ukraine-Krieg gewesen, sagt der IAC-Experte. „Aber die Staatsverschuldung war der Zunder.“ Mit den diversen Rettungsschirmen sei seit 2008 die Geldmenge massiv über das Warenangebot hinaus ausgeweitet worden, die Pandemie und der Krieg hätten dann den Angebotsschock ausgelöst – Stichwort fehlendes Sonnenblumenöl. Den entstandenen Geldüberhang beziffert Paulsen mit 5,5 Billionen Euro, mehr als 80 Prozent davon durch den Kauf von Staatsanleihen.
Und hier liege das Dilemma für Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), die über den Leitzins bestimmt. Die Institution habe die Inflationsdynamik völlig unterschätzt, jetzt sei eine Quadratur des Kreises gefordert: Um die Geldentwertung einzudämmen, müssten die Zinsen steigen. Das aber wäre Gift für die hoch verschuldeten Staaten in Südeuropa: „Dann hätten wir wahrscheinlich die Euro-Krise 2.0“, sagt Paulsen. Und die aktuelle Fiskalpolitik macht es noch schwieriger für die Notenbank: Programme wie der deutsche „Doppel-Wumms“ mit einem Umfang von 200 Milliarden Euro erhöhen die Geldmenge weiter.
Dennoch erwartet der Referent zu Beginn des Jahres 2023 einen Rückgang der Inflation, da die Energiepreise schon Anfang 2022 hoch gewesen seien. Das sei die gefährlichste Phase, denn die Politik werde sich auf die Schultern klopfen, dass ihre Schritte funktionieren. Doch die Inflation werde bleiben auf einem Niveau von vier bis sechs Prozent aufgrund struktureller Treiber, die Paulsen unter drei große D fasst: Für die Dekarbonisierung müssten Volkswirtschaften mit hohem finanziellen Aufwand umgestellt werden, die angesichts der internationalen Krisen angestrebte Deglobalisierung koste Geld, und die Demografie sorge für ein knapperes Angebot an Arbeitskräften mit der Folge steigender Löhne.
Sein dringender Rat an Anleger lautet deshalb: „Versuchen Sie, Geldwerte zu meiden.“ Die einzig richtige Wahl seien Sachwerte, und zwar Aktien als Anteile an Unternehmen. Denn den Firmen schade die Inflation auf Dauer nicht: Die Kosten gingen zwar nach oben, die Erträge und damit die Gewinne aber auch, erläutert Paulsen. Voraussetzung: Sie müssen aufgrund ihrer Marktstellung in der Lage sein, die Preise anzuheben. Daher konzentriere sich der IAC auf große Unternehmen. Dass die Anhebung nicht erfolge, sei ohnehin widersprüchlich: „Dann hätten wir keine Inflation.“
Die beste Lösung zur Geldanlage in Aktien sei ein Fonds, erklärt der Experte und nennt Pluspunkte: breite Streuung, ein sicheres Sondervermögen, tägliche Verfügbarkeit, geringe Mindestanlage und auch Steuervorteile. Wie bei jeder Aktienanlage gebe es Schwankungen, betont Paulsen, „die tun auch manchmal weh“. Aber längst nicht so sehr wie eine steil abfallende rote Linie beim Realzins.
Über den Itzehoer Aktien Club
Mit rund 2.500 Mitgliedern ist der Itzehoer Aktien Club (IAC) die größte Anlegergemeinschaft dieser Art in Deutschland. Seit seiner Gründung im Jahr 1998 verfolgt der IAC das Ziel, die Wertpapierkultur in Deutschland zu fördern. Darüber hinaus bietet der Club die Möglichkeit zum gemeinsamen Wertpapiersparen in internationalen Qualitätsaktien wie McDonalds, Amazon und Coca-Cola. Die Geschäftsführung des IAC liegt bei der TOP Vermögensverwaltung AG, Viktoriastraße 13 in Itzehoe. Vorstände sind Jörg Wiechmann (Vorsitzender) und Reimund Michels.